Leseproben

Um nicht zu spoilern gibt es lediglich  kurze Abschnitte aus dem ersten Band der Trilogie.

Wir hoffen, es macht neugierig auf mehr.

 

 


Die Wette (Auszug aus PULSAR - In 42 Tagen um die Welt)

 

Wie jeden Donnerstagabend treffen sich im noblen Altonaer Vorort Nienstedten, in einer eleganten Villa, drei ältere Herren zum Philosophieren, Diskutieren, Portwein Trinken und um eine gute Zigarre oder Pfeife zu genießen. Es sind der Kaufmann Hermann van Bargen, der Werftbesitzer Heinrich Bohm und der Reeder Wilhelm Woelmann.

 Die Villa van Bargen ist sehr gediegen eingerichtet. Der Rauchersalon, in dem die Herren tagen, ist mit kostbaren Mitbringseln aus aller Welt übersät. Schwere dunkle Hölzer bestimmen das Ambiente, das auch einem der renommiertesten englischen Clubs zur Ehre gereicht hätte. An den Wänden hängen die Bilder der Vorfahren van Bargens, weit zurückreichend, bis in die Zeiten der seligen Hanse, welche, nicht nur nach van Bargens Auffassung, niemals aufgekündigt wurde.

 Die Herren haben sich auf bequemen Sesseln niedergelassen, in der Mitte ein niedriger, runder Tisch, auf dem diverse Flaschen edelster Tropfen stehen. Man kommt gerne hier zusammen, da van Bargen immer ein Garant vorzüglicher Bewirtung und Großzügigkeit ist. Van Bargen selbst ist stolz, dass er als Dritter in die lange und enge Freundschaft von Bohm und Woelmann aufgenommen wurde, da sie in ihm eine verwandte Seele erkannt haben, mit gleichen Ansichten, ähnlich gelagerten Zielen und, nicht zu vergessen, einem vergleichbaren sozialen Status, der allen Dreien Zugang zu den höchsten Kreisen ermöglicht. Außerdem soll nicht unerwähnt bleiben, dass man voneinander profitiert.

 Nach einigen Gläschen besten Ports kommt das Gespräch der drei Männer auf die letzte Tagung der Schiffbautechnischen Gesellschaft zu Hamburg. Bohm räuspert sich.

 "Da war ein Professor - Meyer der Name. Erzählte von einem neuen Antrieb. War zunächst skeptisch. Habe ihn mir hinterher noch gegriffen. Muss sagen, faszinierender Kopf, dieser Meyer."

 "Ich hörte, man hätte ihm übel mitgespielt auf der Tagung", wirft Woelmann ein.

 "Unfair, Wilhelm, sehr unfair ... waren die von der Konkurrenz." Bohm vermeidet gerne, seine Wettbewerber beim Namen zu nennen. "Haben nicht verstanden, was er erzählt hat. Naja, habe das Potenzial erkannt und werde mich mit ihm zusammensetzen."

 "Was war das für ein besonderer Antrieb?", will van Bargen wissen, der mit sicherem Instinkt für Geschäfte neugierig wird.

 "Erzählte etwas von einer Substanz, die aus sich heraus glüht und eine Dampfmaschine anheizen kann. Soll angeblich fast unerschöpflich sein. Kein Bunkern von Kohle. Richtig was erzählt hat er nicht, wenn ich so überlege. Über seine Düsen hat er mehr gesagt."

 "Was für Düsen, Heinrich? Erzähl schon Mann!", fordert Woelmann ihn auf.

 "Will keine Schaufelräder oder Schrauben mehr benutzen, dieser Meyer, sondern Düsen, die Druckstöße machen. Funktioniert schon im Kleinen, sagt er. Meyer meint, ginge auch für große Schiffe. Habe das ausgerechnet, sagt er. Schiffe wären damit mehr als doppelt so schnell, wenn der Rumpf richtig geformt ist. Na Rümpfe kann ich bauen, will ich meinen." Bohm lacht.

 "Aber nicht so schnell, dass du es in sechs Wochen um die Welt schaffst, Heinrich.", provoziert ihn van Bargen. "Das wäre ein wirklicher Geschäftsvorteil."

 "Das hat noch niemand geschafft!", wirft Woelmann ein, "nicht einmal die Briten. Die Woelmann Linie kann aber trotzdem mit denen gut mithalten, das weißt du, Hermann."

 Woelmann steht auf und geht zum Kamin. Er nimmt den Feuerhaken und schürt etwas in der Glut.

 "Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich einen Scheit nachlege, Hermann?" Der Angesprochene nickt.

 "Nur zu, nur zu." Van Bargen macht eine einladende Geste. Woelmann nimmt ein großes Holzstück aus dem Korb neben dem Kamin und wirft es in das Feuer. Er wartet, bis die Flammen hoch auflodern. Vom Kerzenleuchter auf dem Kaminsims wird das alte Ölgemälde darüber flackernd angeleuchtet. Es zeigt das Profil einer ägyptischen Königin oder Priesterin in spärlicher Bekleidung. Gehört wohl nicht in van Bargens Ahnenreihe, denkt er. Aber wer weiß. Was für ein seltsames Bild. Gewagt und mutig von van Bargen, so etwas hier aufzuhängen. Der Blick der Frau ruht kühl auf ihm. Etwas an dem Gemälde ist ihm seltsam vertraut. Ein kalter Schauer überfällt ihn und er wischt den Gedanken schnell beiseite.

 "Briten, pah!" Woelmann schnaubt verächtlich, steht er doch in Konkurrenz zu den großen englischen Reedereien mit seinem Ostindiengeschäft. "Was ist Heinrich? Hältst du mit mir dagegen?"

 "Gegen was?"

 "Gegen Hermann. Er meint, dass du und dieser Professor Meyer es nicht schaffen, ein Schiff auf Kiel zu legen, dass es in 6 Wochen um die Welt schafft!"

 "Das habt ihr euch schön ausgedacht.", antwortet Bohm, "und ich erfahre es wieder als Letzter, wie?"

 "Sagen wir in 42 Tagen reiner Fahrzeit", mischt van Bargen sich ein "und ich bin dabei. Wilhelm? Heinrich? Das ist doch mal was, Wir schließen eine Wette ab ... ihr beide gegen mich."

"Werde dein Schiff finanzieren, Heinrich", sagt Woelmann, "aber den Professor bezahlst du selbst."

Van Bargen grinst sein breitestes Grinsen. Er weiß, dass er Bohm und Woelmann damit eingefangen hat. Bohm schaut dem Kaufmann fest in die Augen, dann zu Woelmann und zurück zu van Bargen.

"Gemacht!", sagt er, "was ist der Einsatz?"

"Wir haben alle genug Geld", sagt Woelmann, "es sollte also etwas sein, das mehr ideellen Wert hat."

"Ich setze die 'Flying Dutchman' ein!", ruft Woelmann.

"Die Yacht, die ich dir gebaut habe? Gehst ganz schön ran, Wilhelm! Aber in Ordnung, bin dabei. Baue dir eine Neue, wenn wir verlieren. Halber Preis. Die andere Hälfte zahle ich. Und die 'Dutchman' kriegt dann van Bargen".

"Und was ist dein Einsatz, Hermann?" Woelmann schaut den Gefragten prüfend an.

"Hmmm ... Ihr kennt doch meinen letztjährigen Derby Gewinner. Ein wunderschöner Zuchthengst, an dem ich sehr hänge."

"An dem deine Frau sehr hängt, meinst du. Sie wird dich umbringen", sagt Woelmann lachend. Die Drei besiegeln die Wette mit einem Gläschen Rotwein aus der Toscana.

"Der kommt vom Weingut des Grafen", informiert van Bargen. "Ich hatte ein Gespräch mit ihm. Er braucht ein schnelles Schiff für eine Expedition im Pazifik. Würde sich das eine Stange kosten lassen, wenn nicht zu viele Fragen gestellt werden und ein paar technische Details eingebaut werden könnten. Was ist? Soll ich ihn fragen?"

"Sehr undurchsichtiger Mann, dieser Graf di Treva", meint Bohm.

"Soll aber integer sein", antwortet Woelmann.

"Was soll's, Geld ist Geld. Frag ihn, mit welcher Summe er sich beteiligen will, Hermann," stimmt Bohm zu. Wenn er anderer Leute Geld ausgeben kann, ist er gerne bereit, das eine oder andere Zugeständnis zu machen, auch technisch, so lange niemand seine Rumpfform ändern will. Schnelle Rümpfe sind seine Spezialität, da darf niemand reinreden.  Das ist Bohms Gesetz.

 


 

 

In den Laboratorien des Dr. Balthasar Newton

(Auszug aus PULSAR - In 42 Tagen um die Welt)

 

Als Luise aufwacht, spürt sie, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Völlige Schwärze umgibt sie und sie kann sich nicht rühren. Ihr ganzer Körper ist wie gelähmt und fühlt sich an, als würde er brennen. Nein, nicht wirklich brennen, mehr so ein Feuer, wie von diesem Zeugs, das sie mal im Salon der "Pulsar" probiert hat, Rum. Aber sie fühlt sich nicht benebelt, wie damals, sondern völlig bewegungsunfähig. Um sich herum hört sie Geräusche. 'Ist da jemand' will sie sagen, doch auch ihre Stimme versagt. Das einzige was sie spürt, ist ein Stechen unter dem Kinn, von dem sich dieses Brennen in alle Richtungen ihres Körpers ausdehnt und das sie zu lähmen scheint.

Was ist geschehen? Eben hat sie noch neben Amalie und Catharina in diesem seltsamen, elektrisch fahrenden Wagen gesessen, auf dem Weg zum Dinner mit dem Kapitän und dem Grafen und diesem Doktor Newton. Luise versucht sich zu erinnern. Es wurde plötzlich dunkel, als sie in einen Tunnel gefahren sind. Was war davor? Kurz davor? Luises Erinnerung ist vage. Irgendetwas ist geschehen. Es muss etwas passiert sein, sonst wäre sie jetzt nicht in dieser Lage. Einzelne Bildfetzen zucken durch ihr Gehirn. Da war eine Bewegung, kurz bevor sie in den Tunnel gefahren sind. Sie hat Amalie und Catharina gegenüber gesessen. Die Frau in Rot stand am Steuer. Sie haben gelacht, waren ausgelassen. Hatten sie einen Unfall? Nein, es war kein Unfall, es war eine Bewegung.

Luise strengt sich an, versucht krampfhaft, die Bilder in ihrem Kopf übereinander zu bringen. Etwas war hinter Amalie aufgetaucht, groß wie eine Hornisse doch anders, glänzender, mit metallisch aussehenden Flügeln. Ein großes Insekt. Und da war noch ein Zweites hinter Catharina. In seltsam übereinstimmenden Bewegungen hatten sich die beiden Tiere den Frauen jeweils auf die rechte Schulter gesetzt. Amalie hat sofort reagiert und versucht ihr Insekt von der Schulter zu wischen. Luise erinnert sich an ihren Aufschrei. Sie war nicht schnell genug gewesen, das Insekt hatte schon zugestochen und Amalie war zur Seite gekippt. Jetzt erinnert sie sich wieder. Als auch Catharina gestochen wurde, hat sie selbst auch diesen Schmerz verspürt und war bewusstlos geworden.

Und jetzt liege ich hier und kann mich weder rühren, noch etwas sagen, denkt sie. Panik erfasst Luise. Was geschieht gerade? Hält man sie für tot? Will man sie begraben oder noch schlimmer, einäschern? Sie will schreien, doch nichts geschieht. Ihr Körper hört nicht mehr auf sie, gehorcht ihr nicht.

"Die da scheint aufgewacht zu sein", hört sie eine bekannte Frauenstimme sagen. Ihre Begleiterin, die sie abgeholt hat? "Dosis erhöhen!"

'Nein', will Luise schreien, doch sie bleibt still. Dann nimmt die Ohnmacht sie erneut in Besitz.

 

 


 

Abgetaucht

(Auszug aus PULSAR - In 42 Tagen um die Welt)

 

 

Der silbern glänzende Rumpf des etwa zweihundert Meter langen und einhundert Meter breiten Raumschiffs sieht nach all der Zeit aus wie neu, fällt dem Grafen auf. Kein Bewuchs von Meerestieren, keine Korrosion sind zu sehen. Wäre da nicht das Problem mit der Steuerung gewesen, das die "Ra'guul" zu dieser Notlandung gezwungen hatte, so hätte wohl keiner auf der Erde je etwas von ihr erfahren. Dass sie so unversehrt da liegt, ist einzig und alleine ihrem Schutzschild zu verdanken, der zwar einen Riesenkrater in das Atoll gerissen hat, aber das Schiff im Inneren zuverlässig vor dem Aufprall und den herunterfallenden Trümmern geschützt hat. Nun liegt es ruhig und still in einem Loch in etwa dreihundert Metern Tiefe auf dem Meeresgrund, viel tiefer als der Rest des Atolls. Wie konnte es sein, dass dieses Schiff nach so langer Zeit immer noch reichlich Energie zu haben scheint? Antimaterie, hatte Amalie erklärt. Genau verstanden hatten weder di Treva noch Professor Meyer, wie das genau funktioniert. Angeblich stammte auch das Ununpentium aus dieser Energiequelle.

 "Wir müssen dennoch innerhalb der nächsten Jahre diese Welt verlassen", hatte Amalie gesagt, "sonst ist diese Energiequelle nicht mehr ausreichend für einen Start. Wir müssten dann zu weit in Eure Zukunft eingreifen um zu neuem Treibstoff zu kommen und dann bestünde die Gefahr einer Entdeckung. Mit jedem Jahrzehnt wird es von nun an schwieriger für die 'Ra'guul'."

 

Neunundzwanzig Atü zeigt das Manometer, etwa zweihundertneunzig Meter Tauchtiefe. Absolut tödlich. In einer langgestreckten Abwärtskurve landet di Treva das Tauchboot auf der hinteren Plattform des Raumschiffs, die ihm durch eindeutige Lichtsignale zugewiesen wird. Dabei sind die Lampen nicht zu sehen. Es scheint eher so, als würden die Symbole aus der Schiffshaut selbst heraus leuchten.

Entweder erwartet man schon länger unsere Ankunft oder man verfügt über Ortungs- und Identifikationssysteme, die der Zeit weit voraus sind. Unserer Zeit, denkt di Treva, aus ihrer Sicht sind wir wohl auf dem Stand von Baumaffen aus der Perspektive eines ägyptischen Pharaos. Der Graf muss grinsen. Der Vergleich ist vielleicht zutreffender, als er auf den ersten Blick erscheinen mag.

 

Über der Glocke schließt sich eine durchsichtige Kuppel. Das Wasser läuft ab. Die Schwärze des Ozeans über ihnen ist undurchdringlich. In dieser Tiefe sieht man kein Licht mehr von der Oberfläche durchschimmern. Man hört sprudelndes Wasser an der Außenhaut. Eine starke Strömung rüttelt und zerrt an dem kleinen Tauchboot, das jedoch sicher durch eine unsichtbare Kraft an seiner Position gehalten wird. Nach einigen Minuten ist die Kuppel leergepumpt und das Tauchboot steht auf dem Trockenen. Ein Atü zeigt das Manometer an, atmosphärischer Druck wie an der Oberfläche. Aber ist das auch atembare Luft?

 "Ja, das ist atembare Atmosphäre", beantwortet Amalie die nicht laut gestellte Frage der beiden Männer und lächelt beim Anblick ihrer verwunderten Mienen. "Einundzwanzig Prozent Sauerstoff und, der Einfachheit halber, circa neunundsiebzig Prozent Stickstoff. Wir können aussteigen."

 Der Graf dreht das Handrad der Luke gegen den Uhrzeigersinn, bis diese sich mit einem Schmatzen und Zischen öffnet. Er klettert hinaus und hilft Amalie und dem Käpt'n beim Verlassen des Tauchbootes. Die Luft ist frisch und kühl. Als sie auf der Landefläche stehen, blickt er unwillkürlich nach oben. Was ist das nur für ein Material, das solch einen Druck aushält?

 "Du wärst überrascht", flüstert Amalie neben ihm, "das ist kein Material im herkömmlichen Sinne."

 "Wie ... was dann?"

 "Nun, ein paar Geheimnisse müssen wir auch noch behalten, denkst du nicht auch?" Sie zwinkert ihm zu. "Kommt", sagt sie und geht voran. Obwohl sie schon lange unter den Menschen lebt, ist das hier immer noch ihr Zuhause. Und gleich wird sie ihre Leute wiedersehen.

 

 Am Ende der Fläche öffnet sich ein Spalt, aus dem Licht dringt. Hintereinander gehen Amalie, di Treva und der Kapitän darauf zu. Der Graf kann nicht umhin festzustellen, dass der Boden, obwohl nass, keineswegs rutschig ist. Er wirkt irgendwie organisch, stellt er erstaunt fest, etwa so wie Leder, nein, Schuppen beziehungsweise Fischhaut. Unter ihren Füßen scheint sich diese Haut leicht zusammenzuziehen und Ihnen so besseren Halt zu geben, während sie sich im richtigen Moment, wenn der Fuß abhebt, wieder entspannt. Sehr praktisch, wenn man unter Wasser darauf herumspazieren muss, denkt er, oder vielleicht im Weltraum. Weltraum - etwas wovon man 1896 nur sehr vage Vorstellungen hat. Am nächsten kommt ihm wohl noch, ein gewisser Jules Verne, der 1865 einen Roman mit dem Titel "De la Terre à la Lune" - "Von der Erde zum Mond" geschrieben hat.

 Er verlässt diesen Gedanken und widmet seine Aufmerksamkeit der Szenerie vor ihnen. Sie haben inzwischen den beleuchteten Spalt erreicht, der sich als kleiner Raum entpuppt. Nur dieser Eingang, kein sichtbarer Ausgang auf der anderen Seite. Amalie geht hinein.

 "Einer nach dem anderen", sagt sie, "und die Dekontamination vollständig durchführen, bitte. Keine falsche Scham, meine Herren." Sie grinst die beiden Männer an. "Eure Sachen kommen in die Fächer an der Wand. Ihr bekommt sie nachher wieder. An Bord tragen wir Bordkleidung. Die bekommt ihr auf der anderen Seite. Alles klar soweit?" Nichts ist klar.

 "Aye Boss", gibt die Treva zurück. Der Kapitän nickt nur. Ihm passt nicht, dass er seine geliebte Pfeife an Bord der "Pulsar" zurücklassen musste. Irgendwie fühlt er sich jetzt schon nackt.

 Di Treva fragt sich, wo denn diese "andere Seite" wohl sei, so ganz ohne Tür. Die Frage beantwortet sich, als er sieht, wie Amalie sich mitsamt der Kabine dreht, bis der Spalt verschlossen ist. Nach kurzer Zeit öffnet sich der Spalt erneut. Die Kabine ist leer. Er geht hinein. Wie schon bei Amalie, dreht sich die Kabine und scheint danach nach unten zu sinken. Eine Art Aufzug also. Unten angekommen betritt er einen weißen Raum mit Fächern an der gegenüberliegenden Wand. Seitlich befindet sich eine Luke. In einem der Fächer sieht er Amalies Kleidungsstücke liegen. Er entledigt sich seiner Sachen und legt sie in eines der Fächer. Als sich die seitliche Luke öffnet, ist er splitternackt. Vor ihm befindet sich ein Raum, aus gleißendem, bläulichen Licht. Geblendet schließt er die Augen.

 "Komm nach vorne", sagt eine ihm bekannte Stimme von der gegenüberliegenden Seite. "Das ist die Dekontaminationskammer. Du musst nur gerade hindurchgehen und kurz die Arme heben."

 Der Graf geht hindurch. Er nimmt einen leicht beißenden Geruch wahr. Irgendwie kenne ich ihn, denkt er. Dann fällt es ihm ein: Ozon, wie es in diesen Lichtbogen-Suchscheinwerfern entsteht. Auf der anderen Seite reicht ihm Amalie einen weißen Overall und leichte Bordschuhe.

"Die Größe müsste passen."

"Danke." Er zieht sich an. Das Material ist dünn, weich und doch wärmend, stellt er fest. Wenig später ist auch der Kapitän bei Ihnen. "Erstaunlich", sagt er, "ganz erstaunlich" und blickt sich verwundert um.

 


 

 

Die Häscher Ihrer Majestät

(Auszug aus PULSAR - In 42 Tagen um die Welt)

 

"Was ist los, Johann?"

"Drehen Sie sich mal um Käpt'n!" Johann van Keulen hält sein Fernglas vor die Augen und schaut in die Nacht. In etwa einer viertel Meile Entfernung sieht man, im fahlen Licht des beginnenden Morgengrauens, den schwarzen Schatten eines Schiffes. "Ich kann den Namen nicht ausmachen, ist noch zu dunkel", sagt der Steuermann. Jetzt sieht Bauer es auch. Das Schiff scheint drei hohe Schornsteine zu haben, was bei dem schlanken Rumpf auf die Möglichkeit zur schnellen Fahrt schließen lässt. An den Seiten sind zwei merkwürdige Auswüchse. Auf dem Vorschiff hinter der Brücke und achtern steht je einen Mast mit zwei Rahen. Vor der Brücke gibt es offensichtlich eine Kanone. Beunruhigenderweise zeigt diese in Richtung "Pulsar". Der Bug hat einen Rammsteven, was darauf hindeutet, dass das Schiff ein ernsthafter Gegner bei jeder Auseinandersetzung wäre.

Bauer hat von dieser Konstruktion gehört. Es scheint einer der neuen Kreuzer der Royal Navy zu sein, die neben starker Bewaffnung auch einen gepanzerten Kommandostand und einen Rammbug zum Versenken kampfunfähiger Schiffe besitzen. Was will dieses Schiff von der "Pulsar"? In seine Überlegungen mischt sich ein lauter Rums. Vor der "Pulsar" schießt eine Wasserfontäne in die Luft.

"Die schießen auf uns! Warum schießen die auf uns?" Van Keulen schaut den Kapitän entgeistert an.

"Die wollen uns stoppen. Das war ein Warnschuss", antwortet Bauer, noch immer äußerlich ganz ruhig. Irgendwie hat er schon die ganze Zeit so ein ungutes Gefühl gehabt, nachdem diese Frau an Bord gekommen ist. Offensichtlich versteht ihr Mann keinen Spaß und hat Einfluss in den höchsten Kreisen. Warum sonst sollte ein Kriegsschiff der Royal Navy ein kleines Forschungsschiff, wie die "Pulsar" verfolgen? Dieser Graf! "Schwierigkeiten" war wohl einer seiner zahlreichen Vornamen. Als hätte er es die ganze Zeit geahnt. So einfach will Bauer es dem Gegner allerdings nicht machen. Die Royal Navy im Besitz der Pläne der "Pulsar" oder gar des Schiffes selbst? Das würde einigen Herren in Hamburg und Potsdam überhaupt nicht gefallen. Dann schon eher die Tarnung aufgeben und sich zur Wehr setzen. Da die "Pulsar" dem Kreuzer an Bewaffnung haushoch unterlegen war, konnte das Heil nur in der Flucht liegen.

"Volle Fahrt voraus", ruft er. Jetzt muss von Wellingsen zeigen, was wirklich in dem Antrieb steckt. Van Keulen schiebt den Hebel des Maschinentelegrafen nach vorne auf volle Fahrt, was er umgehend von unten aus dem Maschinenraum quittiert bekommt, als hätte man nur darauf gewartet. Ein Beben im Schiffsrumpf, das Tosen des Fahrtwindes. Fast verzögerungsfrei macht das Schiff einen Satz nach vorne und nimmt Fahrt auf. Grandios der Blick nach achtern. Die "Pulsar" zieht einen breiten Schaumteppich hinter sich her. Am Heck schießen zwei mächtige Wasserfontänen empor und landen erst eine Schiffslänge hinter ihr wirbelnd im Meer. Das schäumende, breite Band des Kielwassers hebt sich in der Morgendämmerung deutlich von der noch schwarzen See ab. Der Kapitän zieht die "Pulsar" in einer weiten Kurve nach Backbord. Ein zweiter Schuss aus dem Kreuzer landet weit Steuerbord hinter dem Schiff im Wasser. Sollen sie doch erst einmal ihre Kanone auf den neuen Kurs ausrichten, denkt der Kapitän.

"Was ist, Chief? Funktionieren Ihre Klappen?"

"Das will ich wohl meinen, Käpt'n", antwortet Holst.

"Dann raus damit!"

"Klappen dreißig Grad", schreit Holst in das Sprechrohr zum Maschinenraum. Langsam hebt sich der Bug der "Pulsar" aus dem Wasser. Das Schiff nimmt noch einmal Fahrt auf. Der Kreuzer bleibt merklich zurück. Bauer steuert die "Pulsar" langsam nach Steuerbord. Ein weiterer Schuss aus dem Kreuzer schlägt weit hinter dem Schiff in das Wasser. Die Schützen sind offensichtlich nicht auf diese Geschwindigkeit eines Gegners eingestellt. Als sie Culver Cliff auf der Isle of Wight umrunden gerät der Kreuzer außer Sicht. Es wird ungemütlich auf der offenen Brücke. Die Männer ducken sich unwillkürlich hinter der Sprayhood, die das Gröbste an Wind abhält, aber keiner macht den Vorschlag nach unten zu gehen, auf den geschützten Kommandostand. Gut, dass sie ihre Schutzbrillen tragen, vor Tränen in den Augen würden sie sonst nichts sehen.

"Übernehmen Sie, van Keulen", befiehlt der Käpt'n. "Kurs West-Südwest."

"Aye Käpt'n, West-Südwest - liegt an." Van Keulen schreit gegen den Fahrtwind an.

"Lassen wir die 'Pulsar' ein wenig fliegen", ruft Bauer zu Holst und zieht genüsslich an seiner Pfeife, nur um festzustellen, dass sie ausgegangen ist. "Mist!" Und es ist wirklich wie fliegen, denkt er. Wie ein Albatros von unsichtbaren Schwingen getragen und von außerirdischen Kräften beschleunigt. Der alte Meyer ist schon ein findiger Kopf und Bohm kann wirklich schnelle Rümpfe bauen.

 


 

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